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B E I   K A F F E E   U N D   K U C H E N 

Bei Kaffee und Kuchen…

Wie das halt nun mal so ist, kam an meinem 40. Geburtstag die ganze „bucklige Verwandtschaft“. Obwohl ich offiziell „nur“ 15 Leutchen eingeladen hatte, saßen um Punkt 15:00 Uhr 23 Leute in unserem Wohnzimmer und harrten der Dinge, die in diesem Falle Kaffee und Kuchen hießen. Der Raum war bis auf den letzten Platz picke packe gefüllt. Wenn sich nun tatsächlich noch jemand heimlich und unbemerkt „von der Straße“ eingeschlichen hätte, hätte es nur noch Stehplätze gegeben. Einige Gestalten kamen mir sowieso verdächtig fremd vor, so als hätte ich sie noch nie im Leben zu Gesicht bekommen. Na ja, die wichtigsten Protagonisten in Form von Oma, Opa, Mutter, Vater und meinen fünf Brüdern samt verschiedenen Anhänglichkeiten saßen auf jeden Fall mit bereits geöffneten Mäulern ungeduldig wartend da, die linke Hand bereit zum Halten eines Kuchentellers und die rechte Hand bereits entsprechend vorbereitet zum Halten einer Kaffeetasse. Ich hatte natürlich wohl wissend beim Bäcker meiner Wahl bereits genügend Torten für die Meute in Auftrag gegeben, sodass dieser bereits gestern eine Nachtschicht eingelegt hatte. Er dachte wir wollten eine Tortenschlacht machen. Geschwind eilte ich also in die gute Küche und kam kurz darauf bewaffnet mit vier Kaffeekannen (in jeder Hand zwei) wieder zum Vorschein. Behände wie eine Gazelle sprang ich durchs Wohnzimmer und begoss alles, was nicht bei drei auf den Wohnzimmerschränken war. Danach nahm ich die Bestellungen der verschiedenen kuchentechnischen Geschmacksgelüste auf. Da ich daraufhin für einige Zeit in der Küche gebunden war, hatte ich bereits Tage zuvor ein Unterhaltungsprogramm zur Überbrückung von voraus zu sehender Längen des Tagesablaufes ausgeklügelt. Ich stellte also den Fernseher an und griff blind ins DVD - Fach nach der vor zwei Tagen zu recht gelegten, auserwählten DVD. Ich wollte erneut den „All time – Klassiker“ - Mitschnitt unserer Hochzeit präsentieren so wie jedes Jahr, denn der kam eigentlich immer an, weil hier jeder der offiziell Anwesenden mindestens einmal in die Kamera gegrinst hat. Wenn jetzt einer sagen würde „Och, dess habb isch joh noch nie geseje!“, der wäre einwandfrei als unerwünschter Eindringling entlarvt. Ich schob die DVD also in den Player und startete das Ganze. Dann eilte ich in die Küche, um die Bestellungen wunschgemäß abzuarbeiten.

Aus der Küche vernahm ich eine Melodie, die mir gänzlich unbekannt vorkam und eigentlich auch nicht gerade zu der musikalischen Untermalung einer Hochzeitsfeier prädestiniert schien. Da ich alle Hände voll zu tun hatte, ließ ich die DVD einfach weiterlaufen, vielleicht irrte ich mich ja und diese Musik war schon immer auf unserem Hochzeitslivemitschnitt zu hören gewesen. War bisher ein ununterbrochenes kreuz und quer Wirrwarr an Unterhaltungen im Wohnzimmer zu hören gewesen, war es mittlerweile totenstill geworden. Na ja dachte ich, die Meute wird Kohldampf schieben. Haben wahrscheinlich wie immer tagelang vorher gefastet, um mir die Haare vom Kopf zu fressen. Dann hörte ich ein komisches krächzen, ja stöhnen. Ah, das wird die Sequenz sein, wo Oma Erna nach langem Kampf aufgestanden ist, um Platz für die nächsten Torten zu machen. (Ich meine die Entleerung des kleineren Loches auf der Rückseite, nicht die über den Mund!) Dann hörte ich noch mehr stöhnerei, so als ob die ganze Gesellschaft mit überfülltem Bauch unter dem letzten Einsatz seiner Kräfte aufgestanden wäre, um sich ebenfalls irgendwohin zu begeben, wenn Oma Erna denn fertig wäre. Diese Geräusche auf der DVD schienen mir jetzt langsam verdächtig und sehr ominös. Mein Opa kam auf einmal in die Küche und fragte mit hochrotem Kopf, ob er mir nicht etwas helfen könne. Das hatte er noch nie gemacht. Irgendetwas war hier faul! War er auf der Flucht und wenn ja, vor was? „Ich muss mal auf die Toilette!“ vernahm ich die Stimme meiner Mutter. „Ich auch!“ sagte mein Vater, „ich komm mit und stell mich schon mal an!“ Das stöhnen klang mir sowieso viel zu jung, viel zu weiblich, viel zu häufig und auch viel zu laut! Plötzlich schwante mir übles. Ich ging vorsichtig Richtung Wohnzimmer und lugte leise um die Ecke. Es bot sich mir ein Bild des Grauens, als ob Graf Dracula persönlich gerade eine Runde Blut getrunken hätte, nach dem Motto „Ozapft iss!“. Manche Personen waren kreidebleich, andere wiederum hatten eine Birne, als ob sie gerade in Ketchup gebadet hätten. Vielen standen die Haare zu Berge ohne die Hand in der Steckdose zu haben (diese Personen waren jetzt mit Frisur 5 bis 10 cm größer als vorher). Einige Brillen waren beschlagen und andere total verrutscht. Ich sah in verkrampft dreinblickende Gesichter die vor lauter Verlegenheit nicht wussten, wo sie hinblicken sollten. Keiner sah mich an, so als ob ich der zu Tode gefürchtete Belzebub höchstpersönlich wäre. Unruhig rutschte fast jeder auf seiner Sitzgelegenheit herum und bemühte sich gaaanz normal zu sein, so als ob überhaupt nichts wäre. Kein einziger schaute sich ruhig und entspannt die DVD an. Ich ging mit laut schlagendem Herz weiter ins Wohnzimmer, bis ich auf den Fernseher blicken konnte. Ich erschrak fast zu Tode als ich dort drei splitternackte junge Mädels erblickte, die sich gegenseitig aufs heftigste in sado/maso - Manier „verwöhnten“. Ich hatte die DVD’s verwechselt. „Das geile Frauengefängnis der sadistischen Mörderlesben“ las ich auf der DVD – Hülle. Ich hatte keine Ahnung wie dieses Machwerk in unseren Haushalt gekommen war. Da musste wohl jemand eingebrochen sein der sie loswerden wollte, anders konnte ich mir das beim besten Willen nicht erklären!!! Na ja, auf jeden Fall wäre ich vor Scham am Liebsten im Erdboden versunken, bzw. unter dem Teppich wegrobbend geflüchtet. Es war der eingetretene „worst case“(=übersetzt Wurstkäse), der Geburtstagssupergau schlechthin. Schnellstmöglich drückte ich auf sämtliche Ausschaltknöpfe die in meiner Nähe waren. „Der Kuchen kommt gleich!“ sagte ich schnell, so als ob nichts gewesen wäre. Ich eilte wieder in die Küche, um mich vor den jetzt sehr störenden Blicken abzuschirmen.

Glaubt mir der Tag war gelaufen. Da konnte ich noch so viel lecker Kuchen und Gesöff beischaffen, es kam keinerlei Stimmung mehr auf. Man vermied es mich direkt anzublicken, wechselte nur noch die nötigsten Worte mit mir und kurz nachdem der letzte Biss Kuchen im Hals verschwunden war, verabschiedeten sich bereits die Ersten. Es dauerte nicht lange und ich saß alleine im Wohnzimmer, selbst meine Frau war auf einmal verschwunden. Niemand verabschiedete sich wie sonst mit den Worten „es war wunderschön, bis zum nächsten Mal!“ Es kam nur ein kurzes und knappes „Tschüss!“

Von nun an war ich wohl für alle Zeiten geächtet…


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D E R   A U S F L U G 

Der Ausflug

Wie das oft so ist: Der Winter war kalt, dunkel und zu lang. Man hat die meiste Zeit Zuhause verbracht und erbitterte Kämpfe um die Fernbedienung des Fernsehens ausgetragen. Die Zeit vergeht und endlich kommen die langersehnten ersten warmen Sonnenstrahlen des Frühlings. Das erste schöne Wochenende steht vor der Tür und Körper, Geist und Seele sehnen sich allesamt nach einem wunderschönen Ausflug ins Grüne.

In unserem Falle planten wir einen Fahrradausflug in den Taunus zusammen mit unseren neuen Bekannten und deren Freunden.

Ich war noch sehr müde, als es am ganz frühen Sonntagmorgen um 7 Uhr losgehen sollte. Schließlich wollten wir ja nicht nur einmal kurz um den Block fahren, sondern laut unserem Planer Rolf, dem Freund unserer Bekannten, zu einem Platz fahren, von dem aus man die beste Aussicht im ganzen Taunus hat. Wo das sein sollte verriet er uns nicht, er wollte uns überraschen…

Rolf: „Tagchen. Ich bin der Rolf, großes R kleines olf!“

Er sah sehr durchtrainiert und fit aus, während bei mir mehr das Rad auf mir saß, als ich auf dem Rad.

Ich lachte gequält: „Den Gag hab ich ja noch nie gehört, der ist Klasse! Hat mal einer Papier und Bleistift zum notieren?“

Er bemerkte meinen Sarkasmus zum Glück nicht. Eigentlich hatte er mir ja nichts getan, aber es gibt Menschen die einem von Anfang an unsympathisch sind…man kann es nicht erklären. Vielleicht lag es an seinem dämlichen, aufgesetzten Grinsen…und das auch noch um diese Uhrzeit!

Rolf: „So alles Startklar? Denke wir fahren gleich los um keine unnötige Zeit zu verlieren!“
Ich: „Darf ich noch mal kurz atmen?“
Rolf: „Na, Sie sind mir ja einer! Apropos Sie, denke wir duzen uns einfach, oder?! Jemand was dagegen?“
Ich: „ Wollte ich auch gerade vorschlagen!“
Meine Frau: „Na ist doch selbstverständlich jetzt wo wir zusammen einen Ausflug machen! Das wird bestimmt ein schöner Tag, besonders bei diesem Wetter!“
Ich: „Ganz bestimmt! Es soll heute über dreißig Grad werden!“
Rolf: „Jaja, 15 Grad auf unserer Seite des Rheins und 15 auf der anderen! Ach das stecken wir doch mit links weg, oder?! Uns wird der Fahrtwind schon abkühlen!“
Ich: „Das kommt auf die Strecke an.“
Rolf: „ Die ist harmlos! Die bin ich schon öfter schnell mal eben nach Feierabend gefahren.“
Ich: „Und am nächsten Morgen zurück?“
Rolf: „Ich bitte dich, dass sind gerade mal 47 Kilometer! Die fährt ja mein vierzehnjähriger Sohn in weniger als drei Stunden!“
Ich: „Na dann…aber wir müssen nicht hetzen, oder?! Ist ja kein Wettrennen und auf der Flucht sind wir auch nicht!“
Rolf: „ Jaja, keine Angst wir nehmen schon Rücksicht auf Dich! Oder willst du vielleicht doch lieber Zuhause bleiben?“
Ich: „ Auf geht’s!“

Diese Blöße wollte ich mir nun ganz bestimmt nicht geben. Und ab ging die Post. Selbstverständlich trat ich jetzt besonders forsch in die Pedale, denn ich stellte mir das dämliche, mitleidige Siegesgrinsen von Rolf vor, wenn er auf mich warten müsste. Schon bald (drei Kilometer) war ich ganz schön außer Atem. Natürlich hechelte ich so leise und vorsichtig es ging, es sollte ja niemand merken. Bis dahin war ich vorausgeeilt und immer gut hundert Meter vor der Meute hergeradelt. Aber der „pacemaker“ schwächelte und der Abstand wurde geringer und geringer bis Rolf neben mir auftauchte…

Rolf: „Na, Schwächeanfall?“
Ich: „Ach was, ich wollte euch ein bisschen aufholen lassen! Da seid ihr ja endlich!“

Es ist anstrengend fertig zu sein und eigentlich nach Luft zu ringen und gleichzeitig „den dicken Max“ makieren zu wollen, bzw. fit zu wirken und klar und deutlich zu sprechen.

Rolf: „Aha! Na dann wird dir nachher die achtprozentige Steigung ganz bestimmt auch nichts ausmachen!“
Ich: „Achtprozentiger Alkohol macht mir auf jeden Fall nix aus! Ne im Ernst, kein Problem. Soll nur kommen, dass kleine Hügelchen!“
Rolf: „Das Hügelchen geht gut und gerne zwei Kilometer bergauf, dafür werden wir dann aber von der herrlichen Aussicht entlohnt!“
Ich: „Wie heißt die mit Vornamen?“
Rolf: „Haha, Scherzkeks. Komm fahren wir etwas langsamer, die Frauen können uns nicht ganz folgen!“
Ich: „Ach immer das schwache Geschlecht. Hmhmhmhmhm, eieiei…okay wenn’s sein muss!“

Ich war sehr froh nicht von mir aus unfreiwillig weiter zurückfallen zu müssen, sondern „extra“ etwas langsamer
machen zu „dürfen“. Mein T-Shirt war am Rücken schon nass geschwitzt.

Rolf: „Wir können ja etwas spielen wenn wir so langsam radeln müssen, z.B. Ich sehe was, was Du nicht siehst?“
Ich: „Hä!“ ich dachte ich hätte nicht richtig gehört, aber so langsam setzten sich die aufgefangenen Wortfetzen in meinem Kopf zu seinem Satz zusammen. „Wie wär’s mit blinde Kuh? Oder Eins, zwei, drei Ochs am Berg, ach so, dafür sind wir noch nicht nah genug am Ziel!“
Rolf: „Na du bist mir ein Spaßvogel!“

Rolf war einer von den Menschen die man veräppeln kann wie man will und die einem trotzdem nie böse werden. Vielleicht verstehen einen diese Art Menschen auch einfach nicht richtig (sinngemäß), oder sie glauben nicht an das Böse im Menschen oder sind zu naiv…oder die „Veräppler“ sind zu gute Schauspieler ;-) , wie auch immer. Wir einigten uns auf Ich sehe was, was Du nicht siehst…er bestand auf ein gemeinsames Spiel!

Rolf: „Ich sehe was, was Du nicht siehst und das ist braun!“
Ich: „Deine Unterhose?“
Rolf: „Nein!“
Ich: „Deine Zähne?“
Rolf: „Nein!“
Ich: „Deine Gesinnung?“
Rolf: „Hä? Ach was, mach bitte ernsthaft, sonst macht es keinen Spaß!“
Ich: „ Dann gebe ich auf!“
Rolf: „Schwach! Wirklich?“
Ich: „Ich schwöre!“
Rolf: „Okay. Meine Beine!“
Ich: „Na ja. Dachte du hättest sie nicht gewaschen!“
Rolf: „Spaßbold! Jetzt bist du.“
Ich: „Du weißt schon was und das ist weiß, gelb, hellbraun und ein wenig säuerlich!“
Rolf: „Säuerlich sieht man doch nicht! Na egal, hm…“

Drei Minuten später in denen ich herrliche Ruhe vor ihm hatte „Ich gebe auf! Was soll das den sein, das Vorfahrtsschild hat kein hellbraun…“
Ich: „Die Zitronentorte die mir Oma Erna jedes Jahr wie das Amen in der Kirche immer zum Geburtstag macht!“
Rolf: „Aber die siehst Du doch hier nicht! Ach das macht irgendwie keinen Spaß. Wir lassen das glaube ich.“

15 Kilometer waren um kurz nach acht Uhr gefahren. Ich hatte mich etwas erholt, aber das Tempo war auch zum Glück sehr gemäßigt. Trotzdem hatte ich mir irgendwie etwas anderes unter einem schönen Sonntagsausflug vorgestellt.

Gegen halb neun musste ich bereits kämpfen, um wenigstens noch mit den Frauen mithalten zu können. Es war gerade mal knapp die Hälfte der Strecke gefahren und mir taten die Knochen weh, als hätte ich acht Stunden auf dem Bau gearbeitet.

Meine Frau: „Können wir mal eine ganz kurze Pause einlegen?“

Es war klar was sie damit meinte, sodass die Männer extra einige Meter weiter fuhren und dort auf die Frauen warteten, die allesamt mal kurz hinter einem Hügel verschwanden. Ich vermied während des kurzen Pausendialoges gezielt den direkten Blick in Rolfs Augen, damit er nicht merken konnte wie fertig ich bereits war.

Rolf: „Na, macht’s noch Spaß?“
Ich: „Ja klaro. Warum nicht?“
Rolf: „Naja, ich meine ja nur. Wenn man den Winter über nicht viel gemacht hat, kann so eine Tour schon mal böse in die Knochen gehen!“
Ich: „ Du sprichst wohl aus eigener Erfahrung, was?! Null Problemo, wir haben schon Radtouren gemacht, da sind wir doppelt so schnell doppelt so weit gefahren!“
Rolf: „Ach was! Macht mir gar nicht sooo den Anschein! Ist das schon sehr lange her?“
Ich: „Naja, lange her ist relativ! Ich habe damals noch auf dem Rücksitz gesessen und mein Kinderrad war auf dem Dach!“
Rolf: „Dacht ich mir’s doch! Aber wir müssen noch nicht umdrehen, oder?“
Ich: „Ach was, ich bin gerade erst warm geworden! Hoffentlich kann’s bald weiter gehen! Glaube die machen heimlich Rast hinterm Hügel! Auf geht’s meine Dämlichkeiten! Schlafen könnt ihr heute Abend zuhause!“

Natürlich hoffte ich, dass sie sich noch etwas Zeit lassen würden…

Fast gemeinsame Stimme aus dem Gewühl der Damen: „Warte nur ab, Dir zeigen wir wer hier schläft Freundchen!“

Viel zu früh ging es weiter…erbarmungslos weiter. An jeder der wenigen Ampeln hoffte ich, dass sie doch bitte rechtzeitig auf rot springen möchte. Nach einer Weile betete ich sogar dafür. Längst fuhr ich einige Meter hinter der Meute her. Der Abstand wurde von Minute zu Minute größer. Die Zeit in der sich jemand nach mir umdrehte ob ich denn überhaupt noch da bin wurde immer kürzer.

Rolf: „Ich glaube wir machen mal eine etwas längere Pause!“
Ich aus ca. 150 m Entfernung: „Hä?“
Rolf: „Pause für Dich! Erholung! Sauerstoffzelt!“
Ich ganz leise: „Arschloch!“
Rolf: „Bitte? Du musst da hinten schon etwas lauter sprechen, damit wir dich hier vorne bei uns verstehen können!“
Ich: „Ich sagte: Ich kann noch! Aber wenn ihr unbedingt Pause machen wollt, bitte sehr!“
Rolf: „Tja, ich denke Chips und Schokolade machen sich bei dir bemerkbar, oder?! Ist doch nicht schlimm wenn man nicht mehr so kann und mal eine Pause brauch! Kannst du doch ruhig zugeben!“
Ich: „Jaja! Du bist ganz bestimmt gedopt, was?! Eigenblut oder Eigenurin gespritzt? Okay machen wir ne kurze Pause für die Damen!“
Rolf und die Damen: „Witzbold!“
Irgendeine Dame aus dem geschützten Hintergrund: „Dir würde ein wenig Doping auch nichts schaden! Hast du noch ein Ersatzshirt mit, das kann man ja auswringen?“

Ich drehte mich wutentbrannt um, konnte aber die Rednerin dieser üblen Worte nicht ausfindig machen. So blieb mir nur der wütende Blick auf Rolf.

Rolf: „Das nächste Mal bekommst du ein Übernachtungszelt auf den Gepäckträger, dann kannst du dir mehr Zeit lassen!“

Alles lachte…alles außer mir! Ich stellte mir gerade vor, wie ich Rolf mit diesem Übernachtungszelt ersticken würde. Und schon wurde mir von der Seite ein Salamibrötchen in den Mund geschoben.

Ich: „Danke, danke! Ich bin noch in der Lage mein Brötchen selbst halten zu können!“

Kaum hielt ich es, bekam ich in die andere Hand eine Flasche Wasser gelegt.

Ich: „Haben wir’s irgendwie eilig oder was?! Sollen wir für den Rest ein Taxi nehmen damit es schneller geht?“
Rolf: „Das könnte dir so passen!“
Meine Frau: „Du kannst gerne das nächste Mal daheim bleiben wenn es dir zu anstrengend ist!“
Ich: „Papperlapapp! Ruhe jetzt mit dem dummen Geschwätz!“

Dann ging es weiter und mein Spaß an der Radtour wurde minütlich größer. Ich hatte mittlerweile einen Blick über der Lenkstange, mit dem ich mindestens einen kleinen Schurkenstaat hätte ausradieren können: Säuerlicher als 1000 Zitronen und giftiger als 1 kg Botulinumtoxin, ja selbst giftiger als Oma Ernas Blick, wenn man auch nur ansatzweise den Anschein macht, ihr Kuchen würde einem nicht schmecken!

Halbtod kam ich am Fuße der achtprozentigen Steigung an. Die anderen warteten bereits gut 10 Minuten auf mich und klatschten hämisch Beifall als ich endlich auf dem Zahnfleisch angekrochen kam. Als ich Rolfs dämliches Grinsen sah verstand ich zum ersten Mal, wie man irgendwo hinein fahren kann, um sich dort als Selbstmordattentäter in die Luft zu sprengen! Ich stieg mit letzter Kraft ab und schob mein Rad den Berg hinauf, während die anderen langsam am Horizont radelnder Weise verschwanden. Ab der Mitte der Steigung wartete eine Gestalt auf mich (ich war nicht mehr in der Lage irgendjemand oder irgendetwas zu erkennen) und nahm mir mein Rad aus den Händen. Ich stürzte da ich jetzt keinen Halt mehr hatte. Irgendjemand, die Person sah aus wie ein hell erleuchteter Engel, hob mich auf und stützte mich beim Weitergehen. So kam ich wenigstens noch einige hundert Meter weit bis ich erneut zusammenbrach. Mit einer menschlichen Stütze an jeder Seite (der Engel hatte wohl Verstärkung geholt) schaffte ich weitere 100 Meter, bis ich bewusstlos auf den Boden fiel. Danach wurde ich (ich weiß es nur noch vom Hören-Sagen und von einem Artikel im Wiesbadener Kurier unter „Kuriositäten des Wochenendes“) an Händen und Füßen den Rest des Berges hoch getragen und oben abgelegt. Man erzählte mir dass man mich nach mehrfachen Wiederbelebungsversuchen einfach in Richtung Aussicht gelegt hat (ich sollte ja auch etwas davon haben!!) und auf ein Wunder gehofft hat. Auch vom Abtransport im Krankenwagen habe ich nichts mitbekommen. Wie ich später erfuhr wurde vorsichtshalber auch ein Leichenwagen bestellt…

Zwei Wochen später bekam ich sofort eine Beruhigungsspritze als ich Rolf beim Aufwachen aus dem Koma mit beiden Händen um den Hals fiel…


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D E R   N A C H B A R 

Der Nachbar

Einträge in meinem Tagebuch:

Samstag, 07.06., 23:55 Uhr:
Haben gerade „Arlington Road“ gesehen. Echt ein erstklassiger Film, den man unbedingt weiterempfehlen kann. Er handelt von einem Nachbarn, der völlig normal wirkt und lebt und sogar ein sehr liebenswerter Zeitgenosse ist…aber der Schein trügt, wie sich später herausstellt, denn der liebe Onkel Nachbar ist in Wahrheit ein Terrorist und plant einen Bombenanschlag! Irgendwie ist er ungeheuer realistisch und glaubhaft.

P.S.: Wir haben einen sehr, sehr netten und lieben, gutherzigen Nachbarn. Wenn alle Menschen einen so reinen und guten Charakter hätten wie er, wäre die Welt ein Paradies!

Sonntag, 08.06., 3:14 Uhr:
Huarh! Habe gerade einen Albtraum gehabt: Unser netter Nachbar begegnete mir im Hausflur, grüßte mich freundlich und schüttelte mir sogar die Hand. Dann umarmte er mich und…plötzlich spürte ich Schmerzen auf meinem Rücken. Als ich sein Gesicht wieder vor mir erkennen konnte, sah ich vor mir eine reißende Bestie. Unser Nachbar hatte sich in einen Werwolf verwandelt…

Vorsichtshalber taste ich meinen Rücken nach Blut ab, aber selbstverständlich ist da nichts. Mit etwas mulmigem Gefühl tapse ich wieder ins Bettchen, um weiter abzuratzen. Vorsichtshalber werfe ich vor dem Abtauchen noch einen Blick auf die Seite, wer da neben mir im Bett liegt. Da es meine Frau ist, falle ich um und schließe beruhigt die Äuglein.

Sonntag, 08.06., 9:53 Uhr:
Habe nach dem Aufstehen über meinen albernen Traum lachen müssen, so ein Blödsinn aber auch. Was geht nachts nur in unseren Gehirnen vor, dass derartiger Nonsens dabei heraus kommt…oder soll ich lieber schreiben ‚in meinem’?

Der Film gestern hat mich schwer beeindruckt und spukt mir seitdem durch die Birne.

Sonntag, 08.06., 15:23 Uhr:
Hat mich eben schon etwas anders angeschaut als sonst, unser Nachbar. Na ja, kein Mensch ist immer gut drauf, obwohl er es eigentlich fast immer ist. Was soll’s…

Sonntag, 08.06., 17:44 Uhr:
Hm, seltsam ruhig heute bei den Nachbars. Sind doch sonst immer am Erzählen die beiden. Dieses Mal gab es ausnahmsweise mal nichts zu hören als wir zur selben Zeit wie die Nachbarn auf unserer Terrasse waren. Na ja, vielleicht haben sie ja gelesen oder ein Nickerchen gemacht oder so. Was soll’s…

Sonntag, 08.06., 20:12 Uhr:
Hm, wieso gießt unser Nachbar heute nicht wie sonst immer um Punkt acht Uhr seinen Garten? Kam ihm etwas dazwischen? Ein Anruf? Habe ihn kurz vor acht noch in seinem Keller gesehen, als er an irgendetwas werkelte. Vielleicht verhinderte dies ja sein pünktliches Erscheinen am Schlauch?! Egal, sind ja seine Pflanzen! Ah, ich sehe gerade, dass er jetzt endlich gießt, also alles paletti! Meine Frau sagt ich solle mir nicht so viele unnütze Gedanken machen und vor allem endlich mit diesem doofen Tagebuch aufhören. Ich hätte doch heute schon genug darin rumgekritzelt!

Sonntag, 08.06., 20:16 Uhr:
Pssst, ich schreibe heimlich in der Besenkammer! Wollte nur kurz anmerken: Vielleicht hat meine Frau ja recht?!

Sonntag, 08.06., 22:58 Uhr:
Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Nachbar heute nicht Tatort geschaut hat, obwohl er sonst keinen Film der Reihe verpasst. Könnte aber auch sein, dass er sein Fernsehgerät leiser gestellt hat als sonst oder Kopfhörer aufgehabt hat. Na ja, vielleicht war es ihm gesundheitlich auch einfach nicht so gut. Kann ja immer mal sein.

Habe ihn gerade eben am Fenster vorbei gehen sehen, alleine. Hat er noch nie gemacht um diese Uhrzeit. Er schien etwas nachdenklich zu sein. Komme gleich zurück…

So! Habe gerade mal durch den Spion geschaut ob er dreckige Schuhe gehabt hat. Da das leider nicht zu erkennen war, musste ich warten bis das Flurlicht ausging. Dann bin ich mit einer Taschenlampe raus, um den Boden sehen zu können. Dieser war sauber, aber an der Fußmatte war schon etwas Grund. Könnte natürlich auch von einem anderen Hausbewohner stammen…so genau kann man das nicht sagen.

Sonntag, 08.06. 23:13 Uhr:
Meine Frau hat mich gefragt, was ich denn mit der Taschenlampe auf dem Flur will? Da stand ich schon ziemlich belämmert vor ihr, denn mir viel nichts plausibles als Antwort ein. Sie schüttelte den Kopf und sagte, ich solle mein Tagebuch jetzt endlich mal liegen lassen wo es ist!

Ich werde mir morgen vorsichtshalber mal einen Malblock besorgen. Ich habe da nämlich etwas ausgeklügelt!

Montag, 09.06., 18:46 Uhr:
Nachbar ist heute anscheinend nicht zur Arbeit gefahren, denn sein Auto war morgens noch in der Tiefgarage als ich wegfuhr und abends stand es auch, bzw. immer noch dort. Na ja, vielleicht hat er ja kurzfristig Urlaub genommen, denn wegfahren wollen sie ja erst in drei Wochen, das habe ich deutlich auf der Terrasse vernommen. Oder er ist krank. Ist ja gestern Abend schon so komisch herum gegeistert.

Habe gerade gehört, dass er daheim ist, denn er gießt seinen Garten. Genau 1 Stunde, 9 Minuten und 37 Sekunden früher als sonst! Der bringt noch mein ganzes Zeitgefühl durcheinander. Ob er das erreichen möchte?

Montag, 09.06., 19:18 Uhr:
Hat sich schon gelohnt, der Kauf des Malblocks! Ich habe ihn vorhin geschickt eingesetzt und so getan, als würde ich eine Bleistiftzeichnung machen. Ich sagte zu meiner Frau, dass wäre jetzt mein neues Hobby und natürlich würde ich nicht mehr ständig in meinem Tagebuch rumkritzeln, da das ja wirklich kindisch wäre. Sie wunderte sich schon überdurchschnittlich, denn ich zeichne etwa so gut wie ein toter Maulwurf und hatte noch nie Interesse an Kunst. Ich scheine aber ein besserer Schauspieler zu sein, denn sie scheint es mir tatsächlich abzunehmen.

Montag, 09.06., 21:24 Uhr:
Bis eben war Nachbar im Keller und hat gewerkelt, wie ich durch lauschen an der Kellertür hören konnte. Da er das erst seit gestern macht und vorher höchstens in den Keller ging um Bier zu holen, überlege ich was das auf einmal soll.

Meine Frau hat gerade gefragt was das denn überhaupt darstellen soll auf dem Malblock. Völlig überrascht von dieser Frage antworte ich, dass ich sie zeichnen wolle, worauf sie mir zum ersten Mal im Leben eine Ohrfeige gibt und sagt, dass es eine bodenlose Unverschämtheit wäre! Vor lauter Gedanken über Nachbar war mein Kopf nicht mehr frei für solch diffizile Antworten. Ehrlich gesagt sieht das Gekritzel auf meinem Malblock auch eher aus wie Tschernobyl nach der Katastrophe, und das noch sehr, sehr nahe am Kernkraftwerk!

Ich muss für heute Schluss machen mit den Eintragungen, sonst werde ich als nächstes erschlagen aufgefunden…

Dienstag, 10.06., 17:53 Uhr:
Habe extra früher Feierabend gemacht, 1. weil ich Nachbar überraschen wollte, denn um diese Uhrzeit rechnet er noch nicht mit mir und 2. weil ich ungestraft einen Eintrag in mein Tagebuch machen möchte, denn meine Frau kommt erst kurz nach 18 Uhr von der Arbeit.

Ersteres kann man als Erfolg verzeichnen, denn Nachbar hat richtig verdutzt aus der Wäsche geschaut, als ich urplötzlich vor seinem Keller stand um ihn nach etwas Salz für das Essen heute Abend zu fragen. Sicher, wie ich nachträglich zugeben muss, war mein Plan schon ein wenig undurchdacht und nicht vollends ausgeklügelt, denn 1. haben die Geschäfte ja bis 20 Uhr auf, 2. gibt es eines bei uns um die Ecke nur einige hundert Meter entfernt, 3. habe ich noch nie gekocht und meine Frau ist bekanntlich noch gar nicht Zuhause und 4. viel mir nichts ein als er fragte, was es denn heute Abend leckeres gäbe. Trotzdem muss ich sagen, dass sich das Manöver durchaus gelohnt hat, denn er wirkte doch sehr verdattert, um nicht zu sagen verstört. Ich konnte erkennen, wie er schnell etwas hinter seinem Rücken verschwinden ließ, als ich ihn wie aus der Pistole geschossen ansprach. Es musste ja überfallartig erfolgen, wenn auch nur etwas an Erkenntnis dadurch herausspringen sollte. Außerdem wurde er rot und stotterte ein wenig. Alles in allem wirkte er wie ein ertappter Lausbub, der gerade bei einem Streich erwischt wird. Alles sehr verdächtig, da nutzt auch sein sonst so nett wirkendes nun aber eindeutig aufgesetztes Grinsen nichts!

Aber dies war nur der erste Teil meines Plans. Später werden noch das Fingerabdruckpulver, eine Art Stethoskop zum Abhören der Wände, die nagelgroße Überwachungskamera, die ich heute Nacht noch an seiner Kellertür einbauen werde, die Wanze zum Abhören des gesprochenen Wortes, die ebenfalls im Keller deponiert wird und das Nachtsichtgerät zum Einsatz kommen. Da das alles einige Zeit in Anspruch nehmen wird, habe ich mir für morgen Urlaub genommen. Ich habe mir beim Kauf der Sachen im Spezialgeschäft gesagt, was sollen die paarhundert Euro, wenn ich damit vielleicht Menschenleben retten kann! Hinterher werfe ich es mir vielleicht ein Leben lang vor…

Mittwoch, 11.06., 1:27 Uhr:
Oh Mann, bin todmüde, aber „watt mutt, datt mutt“ wie die Hamburger schon sagen. Bin gespannt auf die ersten Auswertungen meiner technischen Installationen. Ich habe mir vorgenommen das Bundeskriminalamt noch nicht zu informieren, dafür bin ich mir noch nicht sicher genug was Nachbar für ein Spiel spielt.

Zu meiner Frau habe ich gesagt, ich würde ab heute im Keller Yoga machen und da wolle ich nicht, dass sie mir dabei zusehe. Sie hat gar nicht wütend reagiert, sondern eher besorgniserregend drein geschaut. Später, als ich kurz oben war um aufs Klo zu gehen, hat Sie mit meinen Eltern telefoniert und anscheinend über mich gesprochen. Ich konnte nicht genau hören um was es ging, aber sie klang etwas verzweifelt. Vielleicht machte sie sich ja Gedanken über ein Geschenk für meinen bald anstehenden Geburtstag und fragte meine Eltern um Hilfe! Sie kam auch oft herunter um nach mir zu schauen. Wie es mir ginge und ob alles okay wäre fragte sie andauernd. Tja, sie muss mich schon sehr lieben, wenn sie sich so viele Gedanken um mein Wohlbefinden macht: Vielleicht dachte sie ja ich mache Yoga wegen meiner Rückenprobleme! Aber es war auch für mich anstrengend denn jedes mal wenn ich sie kommen hörte, musste ich ja schnell eine Yogaübung vortäuschen und auch darin bin ich so gut wie ein toter Maulwurf! Das dööfste aber war, den Übungen einen plausiblen Namen zu geben. Da ging es vom ‚Eimer Senf’ über das ‚durchgedrehte Sumpfhuhn’ bis hin zum ‚Biber, der sich ihm Kühlschrank eine abgelaufene Geflügelmortadella klaut’. Zum Glück ging sie dann irgendwann ins Bett und ich brauchte nicht mehr rumzukaspern! Leider kam kurz zuvor noch die Oma aus dem dritten Stock, ausgerechnet als ich besonders originell sein wollte und den ‚notgeilen röhrenden Elch’ zelebrierte. Ich glaube sie war noch nie so nah am Jenseits wie in diesem Moment, herzinfarktmäßig gesehen!

Mittwoch, 11.06., 13:18 Uhr:
Gut, dass ich mir für heute Urlaub genommen habe. Als Begründung reichte meiner Frau ein ‚burnout-syndrom’.

Mittwoch, 11.06., 14:37 Uhr:
Ups, bin nach der letzten Zeile über meinem Tagebuch eingenickt. Moment, ich höre da gerade was bei Nachbar.
Er hat wohl schon wieder Urlaub, der feine Herr. Der hat ein Leben!!! Eben ging seine Haustür. Mir kam es vom Spion aus wie ‚schleicherei’ vor, so wie er sich aus dem Staub gemacht hat. Und dieses seltsame umdrehen und hinter sich schauen ist auch sehr verdächtig. So klotzt doch nur einer, der etwas im Schilde führt. Ich muss mal eben schnell die Schlappen gegen Leisetreter tauschen und…egal, keine Zeit mehr zum Schreiben…

Mittwoch, 11.06., 15:28 Uhr:
Soso, da war der Herr Nachbar also im Bastelgeschäft. Mit einem Riesenmonstrum von Paket kam er dort wieder hinaus und eilte sofort zurück zu seiner Wohnung. Und schon hat sich die rothaarige Damenperücke, die ich mir wegen der Karnevalssitzung 2003 besorgt hatte, bezahlt gemacht! Damit konnte er mich unmöglich erkennen, zumal ich noch eine Sonnenbrille aufhatte. Okay, die Leute haben mich etwas verwundert angeschaut, aber das lag bestimmt nur daran, dass überhaupt keine Sonne am Himmel zu sehen war! Obwohl, ob man deshalb gleich mit dem Kopf schütteln muss? Egal, es hat funktioniert und das ist die Hauptsache. Ich glaube ich hätte Detektiv werden sollen…

Mittwoch, 11.06., 15:30 Uhr:
Habe anscheinend noch Zeit, denn er hat sich wohl zurzeit in seiner Wohnung verschanzt!

Wichtige Nachträge zu oben: Objekt Nachbar ist sehr komisch gegangen, so als ob er unruhig wäre. Die Schritte waren ungleichmäßig, eher zu schnell und ab und zu schlappte er über den Boden. Außerdem fiel mir auf, dass er mit seinem rechten Bein einen längeren Schritt macht als mit dem linken. Weitere Feststellungen: Er war ungekämmt, so als ob er schlagartig aufgebrochen wäre und sein Hemd war nicht in die Hose gestopft. Es hing wild über Wanst und Po. Er hat vier mal genießt (na ja, eigentlich nur dreieinhalb mal, denn das eine Mal war es sehr leise weil er es unterdrücken wollte), ist insgesamt 583 Meter gegangen und hat 6 Leute gegrüßt, drei davon freundlich und die anderen anstandsmäßig. Er hat zu niemandem ein verdächtiges Zeichen gemacht, noch hat er sich heimlich leise mit dem Verkäufer im Bastelgeschäft in einer geheimen Ecke unterhalten. Er hat kein Handy benutzt. Trotzdem habe ich vorsichtshalber den Verkäufer fotografiert, selbstverständlich ohne seine Einwilligung!

Mittwoch, 11.06., 16:07 Uhr:
Objekt hat Besuch bekommen. Ein großgewachsener Mann, den er sehr herzlich, ja geradezu euphorisch begrüßt hat. Dieser trug schwarze Schuhe, blaue Jeanshosen, eine dunkelbraune Jacke und hatte dunkelbraunes, kurzes Haar. Na gut, das wird er jetzt immer noch haben! Er hatte einen Dreitagebart und eine Fielmann-Brille. Er wurde mit „Altes Haus“ begrüßt. Außerdem hatte er eine weiße Plastiktüte mit roter Aufschrift dabei. So, ich muss jetzt an der Wand lauschen…

Fand, dass Objekt irgendwie eine boshafte Lache bekommen hat. Klang nicht nach erzählten Witzen, sondern eher nach einer satanischen Vereinigung und ekstatischem Lustlachen. Im Mittelalter hätte ich spätestens jetzt einen Exorzisten benachrichtigt. Aber in unserer heutigen Zeit muss man ja alles selbst machen! Glaubt einem ja eh keiner und man wird obendrein noch selbst als bekloppt hingestellt. Anscheinend haben Objekt und Kumpane absichtlich leise gesprochen. Konnte leider fast kein Wort verstehen und mir nur aus verschiedenen Klanglauten das Besprochene zusammensetzen. „Hö.e“ z.B. steht mit Sicherheit nicht für ‚Höhe’ oder ‚Höchste’ oder gar ‚Höfe’, sondern 100%tig für ‚Hölle’!!! Und der Vorlaut „Bo…“ kann unmöglich für ‚Bonbon’ stehen, sondern ganz klar für ‚Bombe’! Ich kann ja hier nicht mit ‚könnte/hätte/sollte’ agieren, ich muss handeln und die Zeichen des Bösen ernst nehmen!

Mittwoch, 11.06., 18:19 Uhr:
Das war schon ein wenig doof. Meine Frau hat mich von der Terrasse aus überrascht und mich dementsprechend mit dem ‚Stethoskop’ an der Wand des Objektes hängen sehn. Natürlich ist mir das die Sache wert, es geht schließlich um Menschenleben!!! Allerdings hat sie gesagt, dass ich sie ja wohl nicht mehr alle hätte und mir gleich morgen einen Termin beim Psychiater ausmachen würde! Sie hat rumgetobt, was das solle und was ich gegen den netten Nachbarn hätte? Das nächste Mal würde sie es ihm sagen und sie hoffe, dass ich so etwas nie mehr tun würde! Beschämend wäre es…usw. blablabla…Weiber halt! Die haben doch eh keine Ahnung! Nicht umsonst sind fast alle Welt rettenden Superhelden männlich, d.h. dass die Comics und Filme schon fast alle sehr realistisch sind! Zum Glück habe ich mein Tagebuch in einen Tresor eingeschlossen, sonst wäre wohl die ‚Kacke am Dampfen’ gewesen. Selbstverständlich kann ich bei so einem wichtigen Fall, wo es um Leben und Tod geht, keine Rücksicht auf irgendwelche privaten Probleme nehmen, das versteht sich von selbst!!!

Mittwoch, 11.06., 23:48 Uhr:
Musste warten bis meine Frau im Bett ist! So! Habe natürlich jede Möglichkeit genutzt, die beiden Objekte zu bespitzeln. War z.B. längere Zeit mit dem Müllbeutel unterwegs, bzw. bin mit dem Müllbeutel hinter den Objekten hergegangen, die sich ganz eindeutig in aller Ruhe unterhalten wollten und deshalb einen gemütlichen Spaziergang vorgetäuscht haben! Mir ist selbstverständlich nicht entgangen, dass der Plastikbeutel mitgenommen wurde…wer weiß was da drin ist!!! Für den Notfall hatte ich das Handy mit und die Nummer des Bundeskriminalamtes bereits zum direkten Anruf aufgerufen.

Meine Frau war schon wieder äußerst wütend weil sie meine Ausführung anzweifelte, bei der ich ihr versuchte zu erklären, warum ich eine dreiviertel Stunde damit beschäftigt war, den Müllbeutel ordnungsgerecht im Container unterzubringen. Seit wann man denn den Müllcontainer aufräumen würde? schrie sie mich an! Leider kann ich sie nicht einweihen, denn Frauen verstehen so etwas nicht! Ich muss da halt durch, es geht schließlich um Menschenleben! Außerdem hat es sich auf jeden Fall gelohnt, denn ich hörte wie sie sich für morgen Nachmittag erneut verabredeten. Ich wurde hellhörig als sie sagten, „dann lassen wir die Bombe platzen!“

Donnerstag, 12.06., 5:27 Uhr:
Ich habe kein Auge zu bekommen. Ich werde mich nachher krank melden, denn heute muss ich wirklich unbedingt auf die Objekte aufpassen um notfalls das Haus evakuieren zu lassen. Ich bin gewappnet. Mein Pfefferspray, das wir noch von unserer Kanadareise übrig hatten, habe ich zu meiner Ausrüstung gesteckt. Ein Bär ist uns damals nicht begegnet, deshalb ist es noch unbenutzt und ich habe mir vorsichtshalber noch mal genau die Gebrauchsanweisung durchgelesen. Müsste klappen und bei der Verteidigung des Hauses gegen die Massenmörder von großem Nutzen sein! Sehe schon die Schlagzeilen über den tapferen Held, der so viele Menschenleben gerettet hat, in der Zeitung.

Meine Frau hat mir übrigens sofort geglaubt als ich sagte ich würde mich heute krank melden, weil ich in letzter Zeit total überarbeitet wäre. Sie hätte auch schon einen Termin für mich bei einem Spezialarzt vereinbart. Hatte sie nicht gestern irgend so etwas in dieser Richtung gefaselt…?

Donnerstag, 12.06., 9:35 Uhr:
Die aus Gründen der akut gefährdeten Sicherheitslage bereits heute Morgen ausgewerteten technischen Beweismittel ergaben folgendes: Die Abhörwanze hat fast nichts außer ein paar Flüchen aufgenommen. Zur Vollständigkeit hier sämtliche Worte: ‚Scheiße’, ‚So ein Mist’, ‚Drecksding’, ‚Fack’ (oder ‚Frack’ oder so ähnlich…das Wort kenne ich nicht!), ‚Schittakaienno’, ‚Scheibenkleister’ und ‚Hol’s doch der Weihnachtsmann’. Außerdem sagte er noch ‚Jeder bekommt das, was er verdient!’ Wie ich finde etwas sehr, sehr verdächtiges! Des Weiteren sind allerdings einige eingesetzte Werkzeuge zu hören: Hämmern, bohren, sägen.

Auf der Mini-Überwachungskamera ist Objekt leider fast nur von hinten zu sehen wie er am abwerkeln ist. Sämtliche Handgriffe sind äußerst verdächtig und es sieht tatsächlich alles so aus, als ob es sich um eine selbstgebastelte Bombe handelt. Sehr verdächtig ist dabei sein teuflisches, oft hämisches Grinsen. Nicht auf der Kamera zu erkennen ist, ob er während der Zeit im Keller einen Pferdefuß hat! Insgesamt ist er 9 Stunden, 37 Minuten und 18 Sekunden im Keller gewesen, wobei er zweimal nur kurz Getränke geholt hat, 5 Bier (0,5 l Pils), 6 Mineralwasser (Medium) und einen roten Multifruchtsaft. Ach so, und ein Glas Gurken hat er am Dienstag um 19:49 Uhr geholt und dabei ‚Scheiß Gurken’ gesagt (habe ich oben bei der sprachlichen Auswertung vergessen!)!

Donnerstag, 12.06., 10:46 Uhr:
Oh Mann, die Zeit vergeht aber auch überhaupt nicht heute! Ich habe schon sämtliche Kreuzworträtsel aus der Fernsehzeitschrift durchgearbeitet, jedenfalls so weit ich kam. Habe dann so nach vier, fünf Wörtern aufgegeben.
Das norwegische Königspaar hat ein schönes Feriendomizil und anscheinend sehr nette Kinder. Beim holländischen gibt es sogar Probleme, die auch in ganz normalen Familien vorkommen könnten, wirkt irgendwie menschlich! Die Hüte der englischen Queen interessieren mich nicht sonderlich, sehen einfach alle albern aus! Außerdem gibt es jetzt eine neue Diät, die ‚Alles muss raus’-Diät. Quatsch habe mich verlesen. Ist ja auch egal, ziehe eh keinen Bikini an!

Ist das langweilig. Hätte mir das Verhindern von Attentaten irgendwie spannender vorgestellt! Na, kommt vielleicht noch…

Donnerstag, 12.06., 17:10 Uhr:
Aha! Eben kommt der Schurke zusammen mit seinem Spießgesellen heim. Aber ich werde schon auf euch aufpassen Freunde!!! Ja ja, der olle Nachbar, mit dem rechnet ihr nicht in euren perfiden Plänen, gell?!

Oh oh, sie gehen zusammen in den Keller! Jetzt heißt es Obacht!

(Keine Zeit mehr für korrekte Uhrzeiten, da sich die Handlung hier überschlägt!)
Habe an der Kellertür gehört wie sie deutlich von ‚einer negativen Überraschung für den Nachbarn’ gesprochen haben. Moment, das bin ja ich! Um Gottes Willen! Glaube sie haben doch gemerkt, dass ich die einzige Gefahr für ihren Bombenanschlag bin und wohl ausgeschaltet werden muss! Auf jeden Fall sagten sie etwas von ‚ausschalten’ und ‚der wird sich noch wundern’! Ich zittere am ganzen Körper. So langsam bekomme ich es wirklich mit der Angst zu tun. Auf was habe ich mich da bloß eingelassen? Habe ich eigentlich mein Testament geschrieben? Und überhaupt, wieso schreibe ich eigentlich immer noch alles hier rein, wo ich doch entweder abhauen müsste, oder diese Massenmörder selbst ausschalten müsste. Mein Nachbar, ein Krimineller…ich hab’s doch gewusst!!! Aber warte nur Freundchen, nicht mit mir! Solange ich noch atme werde ich verhindern, dass dieser Drecksack ein Blutbad anrichtet und unschuldige Menschen in den Tod stürzt! Ich gebe dir Bombe du Sackgesicht…



Freitagabend. Ich mache dies hier weil ich weiß, dass Du es bestimmt so gewollt hättest. Vielleicht darfst Du ja bald wieder Stifte in die Hand bekommen und kannst Dein Tagebuch irgendwann, so Gott will, wieder eigenhändig weiterführen. Da Du jetzt ruhig gestellt bist, bin ich mir nicht sicher, ob Du später alles noch selbst auf die Reihe bekommen hättest. Dafür warst Du gestern auch viel zu wenig Du selbst.

Du bist gestern Abend mit dem Pfefferspray auf unseren lieben, unschuldigen Nachbarn und seinen Freund losgegangen, als ob Du sie umbringen wolltest. Du warst völlig von Sinnen und hast beide angeschrien

„Ich bringe Euch um ihr Massenmörder!“ „Die Menschheit wird es mir noch danken!“ „Ihr dreckigen Sackgesichter!“ „Ihr kurzhaarigen Bombenleger!“ und und und.

Du wolltest wissen ‚wo sie die Bombe versteckt hätten’ und gabst einfach keine Ruhe. Sie baten Dich, doch auf sie zu hören und dass sie doch überhaupt nichts gemacht hätten!

Als dann die Kriminalpolizei eintraf, die Du selbst gerufen hattest (wie ich später erfuhr), nahmen sie nicht wie Du es wolltest den Nachbarn und seinen Freund, sondern Dich fest. Vehement behauptetest Du, Du wärst der Falsche und sie sollten lieber die zwei Gauner dort festnehmen. Daraufhin hast Du auch die Kriminalpolizisten beschuldigt, dass sie mit den Bombenlegern unter einer Decke stecken würden und ebenfalls Massenmörder wären. Du glaubtest felsenfest an eine Verschwörung gegen Dich! Leider bekamen auch die Polizisten Dein Pfefferspray ins Gesicht und Du schlugst so wild um Dich, dass sie Verstärkung holen mussten. Dein Verhalten war wirklich schlimmer als ich es je in den derbsten Fernsehfilmen gesehen habe! Ich habe ja gemerkt, dass Du in letzter Zeit etwas seltsam warst, aber diesen Mensch hätte ich nie im Leben in Dir vermutet!

Nun haben sie Dich in eine Gummizelle gesteckt und Dir eine Menge Zeug gespritzt und das wirst Du wohl auch noch lange bekommen müssen hat der Arzt gemeint, selbst wenn Du in einigen Wochen aus dieser Zelle in ein anderes Bett in der Anstalt verlegt wirst.

Ich kann es nach wie vor einfach nicht fassen! Was ist nur in Dich gefahren?

Unser Nachbar hatte Dir sogar extra etwas Wunderschönes in seinem Keller zum Geburtstag gebastelt.


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D I E   U R L A U B S Ü B E R R A S C H U N G 

Die Urlaubsüberraschung

Nun hatten wir also auch mal ‚Last Minute’ gebucht, zum aller ersten Mal. Es kam da einiges zusammen, sodass wir diesmal einfach nicht langfristig planen konnten. Wir fahren halt gerne weg, sehen gerne mal was anderes als tagaus, tagein immer dasselbe. Und da es nichts gab, was haargenau unseren Wünschen entsprach, buchten wir ausnahmsweise mal diesen ‚Club-Urlaub’…

Naja, das fing ja ganz gut an: Wir wurden schön vom Flughafen abgeholt. Dann wurden wir mit einer Horde anderer, zumeist etwas älterer und oft auch dickerer Menschen in einem großen Reisebus zu einer riesigen, zweckmäßig gebauten Hotelanlage gefahren. Beim massenabfertigungsmäßigen einchecken bekamen wir eine Mappe in die Hand gedrückt, darauf stand ‚Programm’. Ich dachte natürlich ans Fernsehprogramm, aber ich lag falsch. Es sollte ganz anders kommen…

Als ich das grellbunte Etwas aufschlug, sah ich gleich in ‚Leuchtschrift’: Samstag (das war heute), 14:30 Uhr (das war in fünf Minuten) kleiner gemütlicher Umtrunk zur Begrüßung! Wir also wieder runtergestolpert, nachdem wir Überfallartig unsere Sachen im Zimmer verstaut hatten und uns wenigstens mal die Hände gewaschen hatten. Trotzdem waren wir ca. 3 Minuten zu spät und ‚natürlich’ standen schon alle unten im Foyer des Hotels in einem Kreis um einen Mann mit Anzug und Krawatte herum, der gerade etwas erzählte. Wir wurden speziell begrüßt: „Jetzt sind wir ja alle vollzählig! Sie sind doch Herr und Frau Bär, oder?!“ Wir bekamen von einer jungen Dame im ‚Kellnerinoutfit’ (mit weißer Schürze und weißem Häubchen) ein Tablett mit Sektgläsern vorgehalten. Ich trinke zwar keinen Alkohol, nippte aber zwangsläufig daran, um nicht gleich zu Anfang unangenehm aufzufallen. Der Mund über dem Schlips sprach: „…in einer Stunde sehen wir uns dann wieder!“ Alles strömte auf einmal auseinander, als wolle man jede Sekunde ‚Freizeit’ genießen. Ich raffte erst mal gar nichts, unter anderem weil ich weder das ‚Programmheft’ mithatte, noch den ersten Teil des Satzes vom ‚Schlipsmann’ verstanden hatte. Etwas verwirrt stand ich als letzter noch mit meinem fast vollen Glas Sekt im Foyer und Judith drängte mich endlich mit aufs Zimmer zu kommen. Ich stellte den Sekt einfach auf einen Tisch und folgte gedankenlos.

„Was ist denn in einer Stunde schon wieder?“, fragte ich.
„Geselliges kennen lernen!“
„Aber ich habe die Gestalten doch jetzt gesehen!“
„Tja, wir gehen mal hin. Vielleicht ist es ja ganz lustig!“
„Ganz bestimmt! So lustig wie der 30jährige Krieg!“, meine Mundwinkel hingen bei diesem Satz ‚Merkelmäßig’ nach unten und meine Augen ‚sprühten’ vor Begeisterung.

Eine Stunde später (plus obligatorische drei Minuten) kamen wir ins ‚urgemütliche Bauernzimmer’. Sämtliche ‚Gestalten’ saßen dort bereits auf gut gepolsterten Holzstühlen im ‚Bauernstil’. „Jetzt sind wir ja alle vollzählig! Dort hinten sind noch zwei Plätze für sie frei! Ich bitte sie, sich dann mal reihum vorzustellen! Fangen sie hier vorne links bitte an! Mich kennen sie ja bereits…hahaha!“ ‚Schlipsmann’ hatte sich umgezogen und trug jetzt eine gewagte Kombination von dunkelblauem Anzug und orangefarbener Krawatte. Das Haar natürlich fein nach hinten gegelt, frisch rasiert, selbstverständlich braungebrannt (sind solche Typen doch immer, oder?!) und überhaupt aus dem Ei geputzt wie ‚Mamas Liebling’ (auf den Lackschuhen war bestimmt noch nicht mal ein Staubkorn!!!)! Man musste natürlich ‚der guten gesellschaftlichen Stimmung zuliebe’ seinen Vornamen nennen, wo man herkommt und was man so für Hobbys hat. Ich war froh als ich durch war und man merkte mir bestimmt an, dass ich zu diesem ‚gequarke’ überhaupt keinen Bock hatte. Am liebsten wäre ich aufgestanden und spurlos verschwunden, aber wer macht das schon vor allen Leuten?! Als endlich alle durch waren, stand ‚Schlips’ auf und faselte voller Euphorie etwas von ‚lustigen Gesellschaftsspielen’.

‚Schlips’: „…suche ich für das erste Spiel zwei Freiwillige! Na, wer möchte denn mal den Anfang machen, oder muss ich euch zwangsverpflichten?“
Ich: „Ich muss mal auf die Toi!“ und kann gerade noch rechtzeitig flüchten, denn ‚Schlips’ befindet sich bereits im Anmarsch auf unsere Ecke.

Als ich wieder zurückkomme - ich habe mir seeeeehr viel Zeit gelassen – läuft ‚Sunshine Reggae’ und eine Menge Paare tummeln (tanzen kann man das beim besten Willen nicht nennen) sich auf der Tanzfläche mit einer Apfelsine zwischen ihren Stirnen. Das Rhythmusgefühl der meisten ist wirklich unterirdisch: Jamaika würde uns ob dieser Vorführung wohl den Krieg erklären! (Wohl auch ob des sensationellen ‚Roots-Reggae-Songs’!) ‚Schlips’ lässt im Hintergrund seine knöchernen Hüften kreisen und grinst wie ein ‚Honigkuchenpferd’, bzw. wie ein kleines Kind, das gerade das Spielzeug seiner Träume in den Händen hält. Er lebt wohl seinen Job als ‚Animateur’! Da er DJ, Stimmungskanone und ‚gutlauniger Anführer’ in einer Person ist, legt er nun (und schlimmer kann es eigentlich nicht kommen) den ‚Burger Dance’ vom unvermeidlichen ‚Partypapst DJ Ötzi’ auf. Grauenvoll und schlimmer wie jeder noch so blutrünstige Horrorstreifen: Die Pest in Musikform!!! Da ich nun Ohrenkrebs bei mir befürchte, versuche ich erneut dem ‚launigen Kreis’ zu entwischen. Dabei laufe ich leider ‚Schlips’ in die Hände…

‚Schlips’: „Na, tolle Mucke was?!“
„Ja, Weltklasse!“
„Haben sie Probleme mit dem Magen, oder wollen sie auf die Fläche zum abtanzen?“
„Ich bin nicht so fit, tut mir leid!“
„Aber es gefällt ihnen doch hoffentlich?!“
„Jaja, ganz toll, bin hemmungslos begeistert!“
„Na das freut mich aber! Wir werden noch viel Spaß zusammen haben in diesen zwei Wochen!“
„Jaja, ganz bestimmt…“ und entreiße mich seinem Wortschwall und vor allem seinem dämlichen Grinsen.

Nach einer halben Stunde ruft Judith draußen vor der Männertoilette laut meinen Namen. „Ist alles klar?“
„Sind die endlich fertig mit ihren dämlichen Spielchen?“
„Jetzt lässt er Sackhüpfen!“
„Beim Sacktreten wäre ich dabei!“
Noch mal ich: „Haben noch alle ihre Kleider an?“
„Natürlich!“
„Na, Gott sei dank. Es kann ja immer noch Schlimmer kommen…!“
„Achso Jens (so heißt ‚Schlips’) hat seinen Schlips und das Jackett ausgezogen und tanzt sich den Wolf! Der ist voll in seinem Element!“
„Streut doch endlich Bananenschalen! Oder zumindest irgendwelchen kleinen Kügelchen! Lasst es wie einen Unfall aussehen!“
„Es gibt gleich Abendessen!“
„Gibt es eigentlich einen Waffenladen in der Stadt?“
„Stephan!!!“
„Jaja, schon gut!“

Mit vereinter Kraft lockt mich Judith aus meinem sicheren Versteck und ich schaffe es so lange zu trödeln, bis endlich Tischzeit ist und die ganze Mannschaft an mir in Richtung Speisesaal vorbeiströmt. Fast hätte mich die Meute dabei platt gewalzt, wie Grobi in der Sesamstraße. ‚Schlips’, der selbstverständlich wieder selbigen samt Jackett anhat, macht noch schnell einen blöden ‚Essensspruch’ und dann hält sogar er mal die ‚Raffel’. Mensch, ist das angenehm ruhig, richtig erholsam.

Nach dem Essen droht ‚Schlips’ das Frühprogramm des nächsten Tages an: „ Um 7 Uhr machen wir alle zusammen Morgengymnastik, auch die Herren der Schöpfung! Um 8 gibt’s Frühstück!“
„Jemand muss ihn stoppen!“, sage ich fast in Ohnmacht fallend.

Und als er dann von dannen zieht, werfe ich ihm noch ein leises aber bestimmtes „Massenmörder!“ hinterher.
„Man muss ihm das Handwerk legen, diesem Mafiosi!“
„Beruhige dich doch, Stephan!“
„Dem gebe ich Morgengymnastik um sieben Uhr!!! Anzeigen müsste man diesen Strolch!!!“
„Psst, nicht so laut, die Leute schauen schon! Komm wir gehen hoch ins Zimmer!“
Auf dem Weg nach oben sinniere ich weiter: „Was kostet eigentlich ein Schlägertrupp?“…

Nächster Morgen 6 Uhr, der Wecker rappelt, genauer gesagt, er fügt mir tiefe, seelische Verletzungen zu!
Judith: „Aufstehen!“
Ich: „Meinst Du, man kann sich krank schreiben lassen?“
„Ich fürchte dann holt dich ‚Schlips’ persönlich ab!“
„Okay okay! Ich beuge mich der Gewalt!“

Halbtot und mit letzter Kraft schleppe ich mich mitten in der Nacht zur Sporthalle des Hauses. Bildlich gesehen gleicht mein Gang in etwa dem eines Urmenschen und ich sehe um diese Zeit wohl auch genauso aus. Es ist drei nach sieben…

„Jetzt sind wir ja alle vollzählig!“ Schlips trägt heute einen türkisfarbenen Trainingsanzug und farblich dazu passende Adidas Turnschuhe. Ein türkisfarbenes Handtuch ‚fließt’ locker um seinen Hals. (Als Frau hätte er jetzt die Haare hochgesteckt!)

Ich knirsche mit den Zähnen und töte in diesem Moment gerade jemanden mit meinem Blick. Dreimal dürft ihr raten, wie er heißt!

„So. Machen wir uns zuerst etwas locker!“ Bei diesem Satz schaut er mich an. Kurz darauf ‚kaspert’ (er ‚wirft’ Arme und Beine wie wild durch die Gegend) er durch die Halle wie ein Hampelmann. Alle außer mir ‚kaspern’ mit. Ich bewege mich etwas, damit ich nicht auffalle, da ich einfach meine Ruhe haben möchte.
„Na, spürt ihr schon das Adrenalin im Körper?“
„Allerdings!!!“ sage ich leise.
„So, und nun geht es langsam richtig los! Als erstes machen wir Kniebeugen! Und schön tief runter gehen!“
„Ich kotz gleich!“ sage ich ebenfalls leise. „Fehlt nur noch, dass wir gleich ‚Nachlaufen’ spielen, oder ‚eins, zwei, drei Ochs am Berg’, oder ‚wer hat Angst vorm schwarzen Schlips’!“
„Psst!“
Schlips zu mir: „Schön mitmachen! Man muss sich das Frühstück bei uns verdienen!“
„Kann ich auch Wasser und Brot haben?“
„Stephan!! Komm sei ruhig!“
„Sie haben ja mit Programm gebucht!“

Zum Glück ist die Dreiviertelstunde dann auch endlich vorbei.

Nach dem Frühstück fängt der Knabe erneut an das Wort zu ergreifen: „… um 9 Uhr entweder Volleyball oder Schwimmen! Heute Nachmittag machen wir dann gemeinsam einen Ausflug ins Nahe Erholungsgebiet und gehen dort wandern!“
„Werden auch Ostereier versteckt?“
„Stephan!!“
„Hahaha, der junge Mann ist gut drauf, was?! Achten sie darauf, dass sie pünktlich um 15 Uhr am Treffpunkt vor dem Hotel sind!“
„Jaja! Ich erkenne sie ja am türkisfarbenen Wanderstock!“
„Bitte?“
„Schon gut. Kleiner Scherz!“
„Aha, sehr witzig!“ Sein Grinsen ist ihm Ausnahmsweise vom Gesicht entwischt.
„Jetzt mach keinen Stress, Stephan!“
„Der einzige der Stress macht ist dieser Lackaffe…!“

Der Tag fließt so vor sich hin und ich bin immer dort, wo man am weitesten von ‚Schlips’ weg ist. Sein dämliches Grinsen, rumgehopse, idiotisches ‚Um-jeden-Preis-muss-gute-Laune-sein-Gehabe’ und überhaupt das ganze Sackgesicht, geht mir von Sekunde zu Sekunde mehr auf den Keks! Wenn er mich nur anschaut könnte ich ihn schon umbringen! Das ganze mache ich eigentlich nur noch Judith zuliebe mit. Ich möchte ihr ja nicht den Urlaub verderben!

In der Nacht träume ich davon, wie ich ‚Schlips’ mit einem riesengroßen Fleischermesser abschlachte wie eine räudige Sau. Zuerst ziehe ich ihm bei lebendigem Leibe die Haut ab, dann kommt er in kochend heißes Wasser, wird am Hals aufgehängt und danach spritzt das Blut in alle Himmelsrichtungen…jajaja, mehr davon, lass mich nicht aufwachen, ich hatte noch nie zuvor einen so schönen Traum gehabt!

Schrill reißt mich der Wecker um 6 Uhr aus meiner Wunschvorstellung. Es klopft an der Tür.

„Aufstehen ihr Langschläfer! Die Leibesertüchtigung ruft, hört ihr sie nicht?“ Und mit seltsam verstellter hoher Quiekstimme folgt: „Ich bin die Morgengymnastik! Ich rufe euch zur Leibesertüchtigung! Hopp hopp hopp, keine Müdigkeit vortäuschen!“

Jetzt reicht es mir! Das war sein letzter Fehler: Ich bin quasi implodiert!

„So, jetzt mache ich mit dir Morgengymnastik!!!“
„Stephan! Um Gottes Willen, was ist denn in dich gefahren? Tu das nicht!!!“ Judith versucht mich noch zu bremsen, vergebens…

Einige Zeit später kommt der Krankenwagen und die Polizei mit Blaulicht und Sirene…

Sie trifft folgendes Szenario vor: Ich sitze erschöpft in einer Blutlache neben ‚Schlips’, den ich eigenhändig erwürgt habe!

Zum Glück weckt mich Judith dann aus meinem Alptraum und sagt, ich hätte wie wild um mich geschlagen und wilde Flüche ausgestoßen…


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